Der Freundeskreis und Ich
 Leben lernen durch die Gruppe

 

 

 

 

 

Freundeskreis heißt für mich:

Zeit haben für sich selbst und Andere, Freunde gewinnen, neue Werte für ein zufriedenes Leben ohne Suchtmittel zu finden.
"Verstehen und verstanden werden". Sich selbst annehmen und angenommen werden.
Klingt das nicht, als sei damit eine Reihenfolge gemeint, die aussagen will, daß ich mich zunächst selbst verstehen muß, um von Anderen verstanden zu werden bzw. bevor ich eine Chance habe angenommen zu werden.
Oder: wenn ich mich selbst annehme, dann werde ich auch von Anderen angenommen.
Die Selbstannahme ist eine Voraussetzung dafür, daß, Andere mich annehmen können.
Hat es Euch auch schon manchmal geärgert, wenn von den Suchtkranken -die Rede war?
Gerade so, als wären alle Suchtkranken über einen Kamm zu scheren und als gäbe es keine Unterschiede zwischen uns?
Mich ärgert das manchmal. Und vielleicht ärgert es Euch auch?
Denn- nüchtern betrachtet- wissen wir alle doch nur zu genau:
Suchtkranke Menschen unterscheiden sich voneinander in dem selben Maße wie andere Menschen auch.
Und doch gibt es bei allen individuellen Unterschieden eine Fülle von Gemeinsamkeiten, die Suchtkranke miteinander teilen. Es sind die Erfahrungen, die mit dem Gebrauch und Mißbrauch eines Suchtmittels zusammenhängen, mit dem Abrutschen in eine Abhängigkeitserkrankung und- wenn es gut geht- mit der Befreiung von ihr.
Wer die Suchtmittelabhängigkeit überlebt und überwunden hat, weiß, wie es sich anfühlt, die Rolltreppe abwärts zu fahren und ganz unten angekommen zu sein. Er weiß auch, wie mühsam und befreiend zugleich es ist, Stufe für Stufe auf dem Weg zur Gesundung und zur sozialen
Wiedereingliederung zu gehen.
In der Regel ist es der Weg, der über eine zunächst verordnete, etwas später akzeptierte und schließlich zufriedene Abstinenz führt.
Vielleicht liegt es an diesen gemeinsamen Krankheit - und Gesundheitserfahrungen, daß "Verstehen und verstanden werden" für uns Suchtkranke ein besonderes Thema ist:
In unseren Freundeskreisen jedenfalls spielt es eine große Rolle. Wir Menschen können einander auf zwei verschiedenen Ebenen verstehen- zum einen mit dem Kopf und zum anderen mit dem Herzen.
Es ist ideal und führt zu einem besonders tiefen Verständnis, wenn wir beide Ebenen nutzen, wenn wir uns in Andere sowohl hineindenken als auch hineinfühlen können.
Es haben uns viele dabei geholfen, daß wir uns als suchtkranke Menschen begreifen und annehmen konnten.
Zu ihnen gehören Psychologen und Sozialarbeiter die wir in der Therapie kennengelernt haben.
Im besonderen haben uns aber auch die anderen Suchtkranken geholfen, denen wir in der Therapie und im Freundeskreis begegnen.
Selbstverständlich haben auch die professionellen Helfer versucht, sich in uns hineinzuversetzen, uns zu verstehen.
Sie haben uns über das Wesen unserer Krankheit informiert und aufgeklärt. Sie haben uns als Kranke angenommen, uns nicht als Charakterlumpen behandelt.
Das hat es uns leichter gemacht, uns in unsere Krankheit mit dem Herzen einzufühlen, uns selbst besser anzunehmen. Dafür ist jeder Suchtkranke den professionellen Helfern sicherlich dankbar, möglicherweise hatten viele von uns ohne ihr zutun gar nicht überlebt.
Auf dem Weg aus der Abhängigkeit sind für uns Suchtkranke jedoch noch ganz andere Menschen von Bedeutung; die anderen Betroffenen, die sich in den Freundeskreisen treffen.
Bei allen Unterschieden teilen und verstehen wir eine Fülle gemeinsamer und ähnlicher Erfahrungen. Wir sind selbst den Weg nach unten gegangen, haben unsere Ohnmacht und unsere Scham gespürt, die Verachtung der Anderen erlebt.
Wir stützen uns gegenseitig auf dem Weg zu unserer Gesundung und sozialen Wiedereingliederungg und bei alledem haben wir ein tiefes Verständnis füreinander entwickelt, ein Verständnis das aus dem Herzen kommt, das aber auch vor Rat und Tat nicht zurückscheut.
In den Freundeskreisen machen wir interessante Erfahrungen, die uns außerhalb der Gruppe zumeist nicht vergönnt sind. Hier kann sich jeder dem Anderen öffnen, aber niemand wird gezwungen oder bedrängt. Niemand muß sich offenbaren, aber jeder kann seine Sorgen und Nöte mit Anderen teilen, wenn er es wünscht. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Aber jeder steht jedem zur Seite, wenn es gewüscht oder erforderlich ist.

Einige positive Wirkungen in der Gruppenarbeit.
Wir, die dieselben Suchtleiden durchzustehen hatten und den selben Bedrohungen ausgesetzt sind, können uns im Freundeskreis leichter aus unserer Isolation lösen und werden wieder gemeinschaftsfähig.
Die Angst die bei vielen mit dem Versuch, ernste Gesprächsbeiträge einzubringen einhergeht, kann im Angesprochen durch Gruppenmitglieder leichter überwunden werden. Gefühlsgeladene Worte treffen wieder die Gefühlsbereiche der übrigen Teilnehmer und wecken auch bei verschlossenen Gruppenmitgliedern Kräfte, die Hemmungen durchbrechen und klärend Äußerungen ermöglichen.
Da Gefühlsbewegungen einzelner wieder Gefühlsbewegungen anderer wecken,' kommt es zu einer Verstärkerwirkung im Erlebnisbereich und zu einer breiteren Erlebnisfähigkeit.
Illusionen und infantile Erwartungen einzelner werden durch die Gruppenmitglieder aufgedeckt und im Gespräch abgebaut. Dadurch wird ein förderndes Erlebnis vermittelt.
Das Gruppenleben hilft den einzelnen, ihre gemeinschaftsfeindliche Maske fallen zu lassen.
Durch das Einbringen vielerlei Aspekte zu einem bestimmten Anliegen wird der Gesichtskreis der Teilnehmer erweitert und ihre Persönlichkeit bereichert. Gruppenkonfrontationen helfen zu einem gesunden Urteilsvermögen und befähigen zunehmend die Teilnehmer zur Bewältigung ihrer Aufgaben.
Alte, unerledigte Konflikte können aufleben, bewußt werden und durch das Aufarbeiten innerhalb der Gruppe auch dauerhaft gelöst werden.
Je intensiver und tiefgreifender die Gesprächsbeteiligung ist, um so schneller entsteht in der Gruppe ein tragendes "Wir" Gefühl.
Der Gruppenkontakt von Mensch zu Mensch hilft zur Persönlichkeitsentfaltung.
Sprechen in der Gruppe verleiht Zuversicht. Das Gruppenkollektiv ermuntert und stärkt. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen können in der Gruppe gewonnen werden.
Allein schon die Anwesenheit des Einzelnen hat Wert und Bedeutung für die ganze Gruppe.
Seine Bedeutung nimmt zu, je offener der Einzelne sein Verhalten,' seine Fragen, Meinungen und Entscheidungen in der Gruppe austrägt.
Das Gruppenerleben ermuntert, sich auch zur Wehr zu setzen. Da in der Gruppe oft echte Kampfsituationen um die gute Meinung, um den rechten Weg und den rechten Platz der einzelnen entstehen, wird diese Befähigung, sich durchzusetzen, auch in andere Lebensbereiche mit übernommen. Und wer steht den Angehörigen als Stütze zur Verfügung?
So wie der Betroffene seine Persönlichkeitsveränderung nicht mitbekommen hat, so können die Angehörigen auch ihre Veränderung nicht sehen. Wer hilft ihnen bei der Bewältigung dieser Probleme?
Dem Angehörigen bleibt fast immer nur der Weg in den Freundeskreis. Hier trifft auch er auf Menschen die schon Erfahrungen gesammelt haben und Ihm für die Bewältigung seiner Probleme wertvolle Tips geben können.
In den Freundeskreisen war es schon immer selbstverständlich, daß die Angehörigen in die Gruppenarbeit und Verbandsaktivitäten einbezogen wurden. Auch bei den Angehörigen sind größere seelische Schaden entstanden und sie brauchen genau wie der Betroffene unsere Unterstützung und Hilfe.
Die tiefe Weisheit jedes Freundeskreises liegt im Wissen um seine Bedeutung - zugleich aber auch in seiner Selbstabgrenzung.
Die Selbsthilfe sollte sich nur auf Aufgaben stellen, die sie selbst lösen will und kann.
Jetzt habe ich Euch aber lange genug von den Freundeskreisen erzählt. Es ist nun an Euch, darüber nachzudenken.:

  • Was ist der Freundeskreis für mich?
  • Was kann ich dazu beitragen Menschen im Freundeskreis zu helfen?
  • Was habe ich im Freundeskreis gelernt ?
  • Welche Fehler habe ich an mir erkannt und verändert?
  • Was kann ich noch alles, fürs Leben, im Freundeskreis lernen?

Ich wünsche Euch in den Kleingruppen das ihr viel Erfahrung einbringen könnt, aber auch aus den Erfahrungen anderer etwas lernt und für Euch viel Positives mitnehmen könnt.
 

Edeltraud Dömming

 

 

 

 

 

 


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