Ein Leben für die Selbsthilfe

Fritz und Traudel Dömming zusammen über 70 Jahre in der Suchtselbsthilfe

     
 
Mit freundlicher Genehmigung aus gesundheitspress, Ausgabe 41, Grafik: Gisela Koch, Text: Linda Bielfeld

Mannheim. Fritz und Traudel Dömming sind ein außergewöhnliches Paar. Zusammen sind sie 150 Jahre alt und feiern 2011 zwei runde Geburtstage: Fritz hatte im Mai seinen 80., Traudel wird 70. Das Paar ist über 50 Jahre verheiratet, hat 4 Kinder, 10 Enkel und 2 Urenkel.

Das sieht nach perfektem Familienglück aus. Einfach war es jedoch nicht, denn Traudel ist Alkoholikerin. Auch Fritz hat viel getrunken, war aber selbst nicht süchtig. Seit über 35 Jahren sind beide trocken und in der Suchtselbsthilfe aktiv. Aufaddiert bedeutet dies 70 Jahre mit und für die Suchtselbsthilfe. Sie haben diese stark geprägt, aber auch sie wurden geprägt. "Das Familienleben ist dabei zu kurz gekommen“, sagen heute beide. Aber – sie wissen auch um die Bedeutung ihres Engagements: "Die Suchtselbsthilfe ist wichtig, da sie eine Anlaufstelle ist, in der man angenommen wird und Austausch mit Gleichgesinnten hat. Sie ist ein großer Baustein, um trocken zu sein und zu bleiben. Hier kann man Kraft holen, um bis zur nächsten Woche durchzuhalten.“

Durch die Sucht war sie "ganz unten“, gibt Traudel offen zu. Von Hausarzt und Behörden fühlte sie sich in den 70er Jahren im Stich gelassen, als es um das Ausfüllen eines Formulars für eine Langzeittherapie ging. Beinahe wäre sie daran gescheitert – drei Suizidversuche unternahm sie. Eine Zwangseinweisung rettete ihr letztlich das Leben.

Nachdem sie trocken war, war es die Erfahrung der absoluten Hilflosigkeit, die Traudel zur Selbsthilfe und zur Hilfe für andere in ähnlicher Situation motivierte. Nach der Therapie, im Jahr 1975, wurden beide Mitglied im Freundeskreis Mannheim "Die Lotsen“ e.V. "Für mich war es ein Segen, dass wir zusammen zur Selbsthilfe gegangen sind“ sagt Fritz, "was wir uns gestritten haben! Es war lebensnotwendig für unsere Beziehung."

Die beiden führten für viele Jahre den Vorsitz des Freundeskreises auf regionaler Ebene und warben sehr viele Mitglieder. Bis zu 276 Mitglieder zählte der Verein durch ihre Werbung. Dazu trug das sehr unübliche "Outing" von Traudel in den 80er Jahren bei. Es verhalf ihnen zwar zu einer Vielzahl neuer Mitglieder, sorgte aber privat und in Fritz’ Berufsleben erst einmal für Probleme: Telefonanrufe zur Tages- und Nachtzeit, darunter auch Erpressungen von Betrunkenen. Traudel verbrachte viel Zeit mit Anrufern in Not, sie und ihr Mann fuhren sogar häufig vor Ort, bevor sie die Polizei riefen. Gefängnisarbeit, die Ausbildung von Gruppenleitern, die Organisation von Frühlingsbällen und Wochenendfreizeiten, unzählige Sitzungen, Angebote verschiedener Sondergruppen, wie z.B. Ehepaar- oder Sportgruppen, Vorträge, z.B. in Schulen und Kliniken, nahmen beide stark in Anspruch. Zeitweilig verbrachten sie jeden Tag mit Gruppen und hielten jede Woche Vorträge. Auch Privatvermögen steckten sie in diese Arbeit und Traudel ließ sich vorzeitig berenten, um noch mehr Zeit für ihr Engagement zu haben.

Neben dem Engagement auf regionaler Ebene war Traudel zehn Jahre Landesvorsitzende und Mitbegründerin des Landesverbands Suchtkrankenhilfe in Baden e.V., indem auch Fritz aktiv war. Sie war 20 Jahre Sprecherin der Regionalen Arbeitsgemeinschaft für Selbsthilfe, außerdem engagierte sie sich im Gesundheitsausschuss der Stadt Mannheim, im Förderrat und war im erweiterten Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft. Aus dem regionalen Selbsthilfeverein entwickelten sich im Laufe der Jahre weitere größere Suchtselbsthilfegruppen, die auch heute noch Bestand haben. Für ihr außergewöhnliches Engagement in der Selbsthilfe wurden Traudel und Fritz bis heute mehrfach geehrt, so erhielten sie u.a. beide das Bundesverdienstkreuz.

Auf die Frage, was ihr die Selbsthilfe ganz persönlich bedeutet, antwortet Traudel: "Sie bedeutet weiterleben, sich weiterentwickeln, Zusammengehörigkeitsgefühl, Verständnis und Freundschaft."

Linda Bielfeld

Zusammen 150 Jahre alt und 70 Jahre in der Suchtselbsthilfe aktiv: das Ehepaar Dömming.
Zusammen 150 Jahre alt und 70 Jahre in der Suchtselbsthilfe aktiv: das Ehepaar Dömming.
Quelle: Gesundheitstreffpunkt

Die Redaktion beglückwünscht das Ehepaar Dömming zu 150 Lebensjahren und zu über 70 Jahre Engagement in der Suchtselbsthilfe! Der Gesundheitstreffpunkt dankt für die vielen Jahre der guten Zusammenarbeit!

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