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Ich
weiß es nicht. Meine Worte kamen nicht an, sie verhalten im
Wind. Dies ließ natürlich meine Aggressionen, wenn ich angetrunken
war, wachsen und aufflammen bis zu einem unsagbaren Hass. Ich
wusste nicht mehr was mit mir geschehen war,
aber ich wusste auch nicht
wie es
weitergehen
sollte. 1973 wollte ich mein
Leben wegwerfen, es war das erste mal. Ich wollte
so nicht weiterleben. Es
ist nicht gelungen. Ich versuchte es am Ende 1973 noch einmal,
es ist wieder danebengegangen. Es war schrecklich für mich,
warum ließ man mich nicht sterben wenn ich wollte. Ich wollte
dieses Leben nicht mehr. Der Gesundheitszustand meiner Schwiegermutter
wurde immer hinfälliger, wenn ich nur in das Zimmer von ihr
musste bekam ich Angst. Ich war wie von Sinnen. Aber ich musste
sie versorgen es war sonst niemand da. 1974 ging ich das erste
mal zur Beratungsstelle, aber was ich da hörte war nicht begeisternd
für mich. Ich konnte mich nicht ein Jahr lang bewähren, um in
Kur zu kommen. Ich konnte es nicht. Ich wusste ich konnte nicht
allein aufhören. Ich habe es immer wieder versucht es hat nie
geklappt. Der Abstand von meinem Mann und von meiner Familie
wurde immer größer, er wurde immer schlimmer. Mein Mann drohte
mit Scheidung. In meinen Zustand war mir auch das egal. Sollte
er sich scheiden lassen, ich brauche ihn nicht. 1974 kam ich
in die Klinik nach Mannheim wegen Salmonellen. Seit Anfang des
Jahres hatte ich mich schon um eine Kur bemüht. Ich hatte mir
alle Unterlagen von der Klinik schicken lassen. Sei der verlangten
Stuhluntersuchung wurden dann Salmonellen festgestellt. Ich
hatte alles beisammen, nur der Sozialbericht fehlte noch. Ach
Gott was war es schwer diesen Bericht ausgefüllt zu bekommen.
Der Leiter der Beratungsstelle weigerte sich, weil ich alles
selbst in die Hand genommen hatte und wies mich ab. Nach der
Entlassung aus dem Klinikum Mannheim, ging ich zu meinem Hausarzt.
Aber ich hatte eins vergessen. Während meines Klinikaufenthaltes,
erschien im Mannheimer Morgen ein Leserbrief von
mir.
In dem unter
anderem
auch
stand dass ich auch bei meinem Hausarzt war und er mir auch
nicht helfen konnte. Diese Aussage war sehr schlimm für ihn.
Er hat mich beleidigt, er hat mich hinausgeworfen. So stand
ich da auf der Strasse, ohne meinen Sozialbericht. Ich ging
zu einem anderen Arzt und der schickte mich zum Psychiater.
Dieser konnte mit mir nichts anfangen, weil ich auf der Überweisung
den chronischen Alkoholismus stehen hatte. Er verschrieb mir
aber Tabletten. Valium und Librium und das in großen Packungen. Ich
war verzweifelt. Jetzt war ich echt verzweifelt. Ich wollte
doch was tun. Warum war keiner da der mir half? Warum nicht?
Wo sollte ich noch hingehen? Wer half mir endlich in Therapie
zu kommen. Ich wollte nur noch fort, fort und noch einmal fort.
Am 10 Dezember 1974, war mein dritter Selbstmordversuch. Auch
hier wurde ich, kurz bevor es zu ende war, zurückgeholt. Es
war furchtbar. Warum nur, warum? Allerdings wurde ich dieses
mal zwangseingewiesen in das Psychiatrische Krankenhaus Wiesloch.
Hier besprach ich meine ganze Angelegenheit mit einem Oberarzt.
Ich sagte im immer wieder: Ich will was tun, man hat mir
keine Gelegenheit gegeben was zu tun. Er versprach mir daraufhin,
den Sozialbericht zu schreiben. Im Januar 1975, bin ich dann
zu ihm hingefahren. Er schrieb mir den Sozialbericht und leitete
die Therapie selbst ein. Im April 1975 ging ich dann endlich
zur Therapie. Es war wie eine Erlösung für mich. Nur fort,
fort, mehr wollte ich nicht. Fort von zu Hause. Nichts mehr
sehen, nichts mehr hören. Vor allem aber nicht mehr die Verachtung
meines Mannes ertragen zu müssen. Ich war heilfroh, als ich
endlich meinen Mann wegfahren sah, und ich allein in der Fachklinik
war. 1975 im Oktober kam ich wieder nach Hause. Die Angst war
sehr groß. Nicht vor der Umwelt nein vor meiner Familie. Ich
hatte nur Angst vor meiner Familie. Mein Mann hat zwar in der
Therapie sehr stark mitgearbeitet, aber ich wusste nicht ob
das reicht. Ich wusste nicht wie die Beziehung zu seiner Mutter
war. War sie noch genau so wie vorher oder war sie es nicht.
Ich hatte Angst. Aber innerlich war ich stark, ich wollte kämpfen.
Ich wollte das was ich mir aufgebaut
hatte nicht wieder kaputtmachen
lassen. Ich habe gekämpft! Etwa
acht Wochen nach meiner Kur, war ich am Ende meiner Kräfte. Ich
war entsetzt über mich selbst. Meine Schwiegermutter die jetzt
ganz bettlägerig war, quälte mich wo sie nur konnte. Nur mein
Mann merkte es nicht. Wenn er da war, war alles okay, dann brauchte
ich auch nicht in ihr Zimmer zu gehen. Ich brauchte mir nicht
ihre Frechheiten anzuhören, und ich brauchte mich auch nicht
ohrfeigen zu lassen. Das erstemal kam mir nach acht Wochen der
Gedanke es ist alles umsonst, wir hatten einen Streit und ich
lief weg. Ich lief weg in der Absicht irgendwo zu trinken. Ich
lief runter auf die Strasse. Durch die kalte Luft, war es die
kalte Luft? Ich weiß es nicht. Irgend jemand rief mir zu: Tu
es nicht! Ich
habe auch ganz schnell darauf gehört. Nein, habe ich gedacht,
so nicht. Nicht noch einmal. Ich bin wieder nach oben gegangen,
wir haben weiter gestritten. Es hat nicht viel gebracht. Die
Einstellung meines Mannes zu seiner Mutter hatte sich nicht
geändert, Aber was sollte ich nur tun? Unsere Hausärztin, die
jeden Tag kam, sah meine Veränderung. Sie spürte das ich am
Ende war. Sie redete auch mit meinen Mann, dass es so nicht
weitergeht. Sie ließ meine Schwiegermutter in die Klinik einweisen.
Es war für mich, ich muss es einmal aussprechen wie eine Erlösung.
Es war echt eine Erlösung. Trotzdem das unser Urlaub ins Wasser
fiel, den wir schon gebucht hatten. Ich habe gerne darauf verzichtet,
Hauptsache ich war alleine meiner Wohnung. Aber auch in dieser
Wohnung fühlte ich mich nicht mehr wohl. Ich hasste diese Wohnung
von Anfang an, ich hasste diese Wohnung, weil sie mir fremd
war. Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Ich hatte sie
nicht geholfen einzurichten, alles wurde gemacht als ich weg
war. Wir haben beschlossen umzuziehen. Als uns klar war, dass
meine Schwiegermutter aus der Klinik nicht mehr lebend herauskam,
weil sie eine Alters Tuberkulose hatte haben wir uns gleich
um eine andere Wohnung bemüht. Wir hatten auch
bald Glück. Wir
zogen direkt nach Mannheim in die Innenstadt. Ich
habe mich nach meiner Therapie sofort einer Selbsthilfegruppe
angeschlossen, in der ich auch heute noch bin. Wir haben sehr
viele Kämpfe in dieser Gruppe ausgetragen, mein Mann und ich.
Ich habe sehr viel Kraft eingesetzt für Menschen die in der
selben Lage waren, wie ich einmal. Ich glaube manchmal zuviel.
Ich habe sehr viele Enttäuschungen erlebt, und habe auch in
der Zeit sehr viel darüber nachgedacht: Wie kann ich eigentlich
alkoholkranken Menschen am besten helfen. Was weiß ich im nachhinein
und im voraus über den Menschen der vor mit sitzt und Hilfe
braucht. Was weiß ich von seinen inneren Kämpfen nichts, gar
nichts. Jeder sollte sich hüten, der mit alkoholkranken Menschen
zu tun hat, von sich aus zu gehen. Ich bin trocken werde
du es auch. Jeder hat seine Zeit gebraucht um trocken zu werden.
Jeder hat den Tag der Einsicht gebraucht.1
Kor. 10,12 Darum wer meint
er stehe, der sehe zu, dass er nicht falle. Der Alkoholiker
braucht keine Härte, er kann damit nichts anfangen. Er braucht
kein nachgeben, aber er braucht Liebe. Liebe und Angenommen
sein so wie er ist und nicht wie man ihn gern hätte. Jeder sollte
bedenken der eine Therapie gemacht hat, sich nicht der Überheblichkeit
zu überlassen. Es wäre schrecklich er könnte nicht helfen. Helfen
können nur Menschen, die immer wieder an ihr eigenes Leid zurückdenken.
Die immer wieder ihre Fehler sehen. Die sich immer wieder an
Situationen erinnern, wo sie
trocken werden
wollten und es nicht konnten.
Jede Überheblichkeit einem Alkoholkranken gegenüber wird ein
Reinfall. Sie wird im nicht helfen, sondern noch mehr in seiner
Minderwertigkeit bestätigen. Er wird lieber weitertrinken. Es
ist zwar schrecklich, aber es ist leider so. Der Alkoholiker
wird durch gutgemeinte Ratschläge nicht trocken. Der Kranke
braucht Zuneigung, er braucht Angenommensein. Nur auf dieser
Welle der Liebe kann ich einem Alkoholiker helfen. Niemand kann
mir heute sagen, du hast es geschafft, also muss der das auch
schaffen. Nein so geht es nicht. Er muss es nicht. Er kann es
wenn er die richtige Einstellung zu seiner Krankheit geweint
und wenn er will. Wie sieht es aber in einem Menschen aus, der
innerlich total tot ist? Wie kann er was wollen? Wie kann er
überhaupt den richtigen Weg finden. Muss ich Ihm nicht durch
Liebe und Vertrauen seine Kraft wiedergeben. Muss ich Ihm nicht
helfen diese Kraft aufzubauen? Muss ich Ihm nicht begleitend
zur Seite stehen. Ist das nicht der Ausgangspunkt christlicher
Nächstenliebe. Ich glaube nur so wird eine Suchtkrankenhilfe
gedeihen. Nur so kann man helfen. Vielleicht auch dem Glauben,
der Liebe Gottes, auch das gehört dazu. Auch ich habe meinen
Glauben wieder gefunden. Auch ich konnte nur die ganzen Kämpfe,
die in den 25 Jahren die verflossen sind, ausgetragen wurden,
positiv und auch negativ, durchhalten, durch meinen Glauben
an Gott. Ich weiß viele von euch, sind nicht meiner Meinung,
wenn es um Glaubensfragen geht. Es muss auch nicht sein. Aber
für mich ist der Glauben sehr wichtig. Der Glaube war für mich,
nach meiner Therapie immer ein Halt und eine Stütze. So hoffe
ich auch in Zukunft meinen Weg mit der Liebe und in der Liebe
Gottes weiterzugehen. So wie Heute weiterzugehen, trocken und
zufrieden. Ich leide nicht unter meiner Abstinenz
sondern ich bin froh und dankbar,
dass ich den Weg der Heilung gefunden habe Schicksalsgenossen
die mir helfend zur Seite stehen. Bis
heute bin ich dem Freundeskreis Mannheim "Die Lotsen"
e.V. treu geblieben. Trotz vieler Enttäuschungen. Ich war
24 Jahre Vorstandsmitglied und dann 1. Vorsitzende. Ich will
mich nicht loben, aber ich habe in dieser Zeit vielen Menschen
zur Seite gestanden. 1986 war ich Gründungsmitglied der LAG
Baden e.V. und 9 Jahre 1. Vorsitzende. In der gleichen Zeit
wurde auch die regionale Arbeitsgemeinschaft der Selbsthilfegruppe
in Mannheim RAG gegründet. Auch hier arbeite ich seit Anfang
an mit. Seit 7 Jahren bin ich Sprecherin der RAG. Für
den Freundeskreis mache ich heute noch die Öffentlichkeitsarbeit.
Ich bin zwar kein Vorstandsmitglied mehr, aber immer noch Beauftragte
für Öffentlichkeit, Gruppenleiterin und Ausbilderin für Gruppenleiter.
Auch das ist noch ein großes Gebiet. Überhaupt wenn es um Geldsachen
geht. Selbsthilfe ist ja ein Stiefkind in der Unterstützung.
Deshalb muss man an vielen Orten betteln. Aber dazu muss auch
das Image des Freundeskreises stimmen Ich habe viel Kraft darauf
angewendet das wir mit unserer Selbsthilfegruppe in Mannheim
positiv bekannt sind. Es war sehr schwer aber auch befriedigend. Ich
setze auch heute noch meine ganze Kraft für die Erhaltung der
Selbsthilfe ein. Ohne Selbsthilfe ist unser Gesundheitswesen
gar nicht mehr denkbar. Dies wissen auch die Politiker, doch
leider nicht in der Unterstützung. Wenn ich heute über mein
Leben nachdenke bin ich sehr zufrieden. Ich wurde 1975 neu geboren.
Noch heute bin ich meiner Therapeutin sehr dankbar, dass Sie
mit mir den schweren Weg in der Therapie gegangen ist. Ich werde
immer dankbar sein.
Edeltraud
Dömming
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