Rückblick!!!

 

 

Ich bin alkoholkrank und habe in einer offenen Fachklinik Genesung gefunden.
Es war nicht leicht mich zu diesem Schritt zu bewegen. Erst als meine älteste Tochter mir sagte: Du Mutti, du musst was für dich tun, du kannst das beste was der Mensch besitzt wiedergewinnen, die Gesundheit. Da war ich bereit zu gehen.
So war dann der Anfang meiner Therapie dadurch geprägt, dass ich mir vorgenommen hatte für meine Familie gesund zu werden. Dies war aber nur am Anfang meiner Therapie!!
Sehr bald habe ich erkannt, dass ich die Therapie für mich selbst tun musste, nur für mich.
Deshalb war diese Therapie für mich keine Therapie im üblichen Sinne. Die Wiedererlangung der geistigen und körperlichen Fitness stand bei mir im Vordergrund. In den offenen Kliniken werden gewisse Anforderungen gestellt. Der Patient muss noch den Sinn und Zweck seiner Therapie begreifen können. Die Zerstörung, des Denk- und Auffassungsvermögens, durch den Alkohol darf noch nicht zu weit fortgeschritten sein.
Mit anderen Worten, Sie oder Er darf seinen Verstand noch nicht versoffen haben.
Ich schreibe dies hier auf, um Menschen die an der Alkoholkrankheit leiden, zu helfen das Stadium ihres Leidens zu erkennen. Ich will einen Weg aufzeigen, den Alkoholkranke gehen sollten, bevor ihnen eine Zwangseinweisung in ein Psychiatrisches Landeskrankenhaus droht, oder sie gar auf dem Friedhof landen. Deshalb habe ich auch mein eigenes Schicksal hier aufgezeichnet.
Wenn Sie meinen Vortrag hören, werden Sie bestimmt denken?
Natürlich schlechte Kindheit, Schuldzuweisungen an die Eltern. Nein das möchte ich nicht zum Ausdruck bringen, sondern aufzeigen was alles zu einem Suchtkranken verhalten beitragen kann. Es war einfach die Zeit in die ich hineingeboren wurde. Es war Krieg man zählte das Jahr 1941. Mein Vater war Berufssoldat (Oberleutnant) bei der Luftwaffe und meine Mutter wollte bei ihm sein, immer dort wo er stationiert war. Ich will nicht beurteilen ob sie ihre Kinder hätte mitnehmen sollen, sie tat es nicht!
Aber ich glaube nicht, dass ihr bewusst war, das meine Großmutter nur für eine Enkeltochter Liebe aufbringen konnte.
Sie haben es bestimmt schon herausgehört ich wurde bei meiner Großmutter mütterlicher seits untergebracht. Diese konnte mich einfach nicht Lieb haben, aber auch Liebe kann nicht erzwungen werden. Als Säugling weiss ich davon ja nichts mehr, es machte sich erst später bemerkbar in meinem jungen leben.
Als ich zwei Jahre alt war, holte meine Mutter mich und meine 3 Jahre ältere Schwester zu sich. Wir wohnten in Mannheim - Waldhof, mein Vater war in Sandhofen stationiert. War aber natürlich als Offizier nicht in der Kaserne untergebracht. Sein Bursche verrichtete auch hier schon alle Arbeiten die anfielen im Haushalt.
Der Aufenthalt auf dem Waldhof dauerte nicht lange, denn Mannheim wurde bombardiert und mein Vater wurde nach Oberschlesien versetzt, wo wir mitgingen. Wir hatten dort eine Wohnung auf dem Schloss "Neudeck". Es war eine schöne Zeit für mich.
Der Graf von Domnersmark mochte mich sehr, und hat mich auch sehr verwöhnt. Aber auch hier konnten wir nicht lange bleiben, weil Russen im Anmarsch waren. Mein Vater wurde nach Frankreich versetzt und meine Mutter und wir zwei Kinder hatten nur noch die Möglichkeit nach Reuden Kreis Zerbst auszuwandern. Dort war mein Vater geboren und wir kamen bei seiner Mutter unter. Ich glaube hier war die einzige Zeit
  in meiner Kindheit, wo ich wirklich Liebe bekommen habe. Meine Großmutter war eine herbe, aber sehr Liebe Frau. Auch der Bruder meines Vaters, mein Patenonkel, behütete uns Kinder sehr. Meine Mutter, die ihrem schönen Leben nachtrauerte, war oft sehr unzufrieden und mit Schlägen schnell bei der Hand. Mein Onkel musste sehr oft eingreifen, um uns zu beschützen.
Aber der Krieg ging weiter und die Russen kamen auch in unser Dorf.
Es war schrecklich!!!
Trotzdem dass ich noch klein war, sehe ich heute noch die Bilder der Vergewaltigungen und der Frauen die sich erhängt haben, vor mir!
Sie wollten einfach nicht mit dieser Schande weiterleben.
Wir hatten zwei Flüchtlingsmädchen aufgenommen, mit denen versteckte meine Mutter uns beide im Keller, unter den Kartoffelsäcken. Wir ernährten uns tagelang nur von Lebkuchen. Es wurde erst besser als wir einen russischen General auf den Hof bekamen. Von da an durfte kein gemeiner Soldat mehr den Hof betreten.
Leider wurde ich dann sehr krank, ich hatte die "asiatische Pest". Ich brauchte ein ganzes Jahr zur Genesung. Im Frühjahr 1946 holte uns die Mutter meiner Mutter zurück nach Ludwigshafen a.R..
Hier begann dann für mich eine sehr lieblose und schmerzliche Zeit.
Meine Großmutter hatte nur eine Enkelin, und das war meine Schwester. Durch die Kriegswirren, waren meine Eltern drei mal ausgebombt. Also, mussten beide so schnell wie möglich Arbeit finden.
Sie begaben sich in eine vollkommene Abhängigkeit von meiner Großmutter. Sie machte den Haushalt, sie verpflegte die Kinder. Eine Einmischung meiner Eltern in ihre Erziehung war nicht erlaubt!
Ich möchte nicht alle die verhängnisvollen Geschehnisse aufzählen, und beschränke mich auf die schmerzlichsten unter ihnen.
Ich bekam von niemandem Liebe, nur Prügel!
Prügel waren an der Tagesordnung, Prügel gab es jeden Tag.
So lebte ich dahin, und mein Innerstes verkümmerte!
Mit neun Jahren wurde ich von einem Großonkel missbraucht.
Natürlich konnte ich das niemandem erzählen.
Was hätte es auch für einen Sinn gehabt, keiner hätte mir geglaubt.
Zurück blieb eine grauenhafte Angst und Abscheu.
So trug ich es bei mir, und das erste Mal dass ich davon sprach war in der Fachklinik 1975.
Ich suchte nach Liebe, und glaubte sie mit 14 Jahren bei einem jungen Mann gefunden zu haben.
Das war ein Irrtum. Auch hier wurde ich nur für die Sexualität gebraucht. Abgestoßen davon durch die Vergewaltigung und noch vielen Annäherungsversuchen eines Großonkels, war mir das im Herzen zu wieder.
Aus Angst ihn zu verlieren gab ich nach, und wurde schwanger. Auch das war eine sehr schlimme Zeit, meine Großmutter stempelte mich zur Hure.
1958 lernte ich meinen jetzigen Mann kennen. Ich glaube es war nicht gleich Liebe was mich zu ihm hinzog. Es war einfach, dass er da war und bei mir die Vaterrolle übernommen hatte. Ich hatte ja nie eine Vater- Kindbeziehung.
Am Anfang war ich darüber sehr glücklich. Nur mit der Zeit musste ich feststellen, dass daraus für mich eine vollkommene Abhängigkeit ihm gegenüber wurde. Ich hatte keinerlei Entscheidungsfreiheit. Aber ich konnte mich nicht wehren. Von meiner Erziehung her war ich es nicht gewohnt zu wiedersprechen.
Mein Mann ist ein Einzelkind und seine einzige Liebe war seine Mutter.
Die Tage und Monate gingen dahin, ich wurde immer ruhiger, ich wurde immer stiller in der Zwischenzeit 1959 haben wir auch geheiratet.
1960 kam unsere Tochter zur Welt. Den Aufstand den meine Schwiegermutter machte, als sie erfuhr das ich schwanger war, kann ich keinem normalen Menschen beschreiben. Daraus resultierten dann auch noch Ereignisse, über die ich später noch berichten werde.
Was war nach der Geburt unserer Tochter, hatte sich was geändert? Nein!!!!
Zu sagen, zu sagen hatte ich nichts. Ich durfte nur arbeiten und durfte bereit sein
mit meinem Mann zu schlafen. Eine eigene Mei­nung durfte ich nicht haben.
Also, wie mir dann auch wieder 1975 in der
Therapie gesagt wurde, eine Wirtschafterin mit Bettgemeinschaft.
Aber das alles machte mich sehr unglücklich. Ich war nicht zufrieden mit meinem Dasein. Ich wusste das es irgend was geben musste, dass schöner war.
Ich wusste das in mir jemand war der selbst leben wollte, nicht nur unter der Bestimmung anderer Menschen.
Ab 1962 arbeitete ich in einer Bar. Hier wurde ich zum aller ersten mal mit viel Alkohol konfrontiert. Ich erlebte auch hier, wie beschwingt und wie frei Alkohol machen konnte. Ich arbeitete in der Bar einein halb Jahre. Natürlich war ich sehr oft betrunken. Aber ich war noch nicht abhängig. Sehr viel später erst, erinnerte ich mich an das befreit sein und das gelöst sein durch den Alkohol. Ich glaube es begann im Jahre 1964 als meine Schwiegermutter mit zu uns in die Wohnung zog.
Meine Schwiegermutter die von Grund auf gegen mich war.
Was meinen Mann aber nicht störte.
Er kam ja sehr gut mit ihr aus. Aber wo war ich?
Ich war still in mich gekehrt ohne mich zu wehren. Da fiel mir der Alkohol wieder ein. Der Alkohol der leicht macht und der enthemmt. Ich benutzte den Alkohol von jetzt an um frei zu sein um auszudrücken was ich wollte. Es gelang am Anfang auch ganz wunderbar. Ich konnte was sagen, ich konnte meine Meinung auch mal äußern, aber leider wurde sie nicht angenommen. Sie wurde gar nicht gehört.
Also ich war eigentlich gar nicht da, ob ich. Getrunken hatte oder nicht.
Ich wurde schwanger 1966 und habe sofort mit dem Alkohol aufgehört, mein Kind war mir wichtiger als alles andere. Vor dem Jahr 1966 lagen allerdings zwei Schwangerschaftsabbrüche, die gegen meinen Willen waren.
Auferzwungene Abbrüche, die ich heute noch nicht verkraftet habe. Aber meine Schwiegermutter wollte keine Enkel mehr.
Das Kind das 1966 zu Welt kam, musste ich mir sehr hart erkämpfen. Ich spielte dieses Spiel nicht mehr mit, ich wollte es auch nicht. Nach der Geburt meines Kindes fing ich natürlich wieder an den Alkohol einzusetzen. Aber es nutzte alles nichts. Meine Situation wurde nicht besser, meine Situation wurde schlechter. Der Kreis der sich gegen mich wendete schloss sich, mit meiner 1960 geborenen Tochter. Natürlich konnte das Kind nichts dazu!!!!!
Sie war Papas Liebling und war Omas Liebling. Sie hatte als Kleinkind eine Hirnhautentzündung. Danach wurde sie sehr verwöhnt und verhätschelt. Jeder Wunsch wurde ihr erfüllt. Mein Mann sah immer nur die kleine Andrea in ihr, die Krank in ihrem Bettchen lag. Er sah nicht, oder wollte es nicht sehen, dass sie älter wurde und nicht mehr krank war. Wie oft habe ich ihm erklärt, dass das nicht gut ist. Natürlich merkte unsere Tochter sehr schnell, wo ihre Vorteile lagen und welche Position ich hier innehatte. Sie stellte sich rigoros auf die Seite ihres Vaters. Alles was ich sagte, alles was ich tat hinterbrachte sie meinem Mann. Jedes von mir ausgesprochene Verbot wurde hintergangen, natürlich mit der Genehmigung ihres Vaters. Aber was konnte sie dafür, nichts. Es war aussichtslos mit meinem Mann darüber zu reden. Er unterstellte mir Hassgefühle und noch vieles mehr. Natürlich kam in mir mit der Zeit die Eifersucht auf. Eifersucht auf alles, was mich von meinem Platz als Partner verdrängte. Ich war einfach nicht da. Ich war das fünfte Rad am Wagen und das wollte ich nicht sein.
Ich wusste jetzt ich liebte meinen Mann sehr. Aber ich konnte so nicht weiterleben.
Dieser unsinnige Zustand, verschärfte mein Trinken immer mehr. Ich war wahrhaftig voll Wiederstreberster Gedanken. Unter dem Einfluss des Alkohols verschwanden sie vorübergehend. Um der Wahrheit zu dienen, ich war mir meines Tuns voll bewusst und trank aus eigenem Willen . Niemand zwang mich je zum trinken. Im Bestreben meinen Weg durch das Leben selbst zu finden, täuschte ich mich in den Mitteln zur Lösung meiner Probleme. Denn der Glaube bestand meines Erachtens in äußerlichen Kulthandlungen, wogegen das Herz von einem großen Nichts beherrscht wurde. Erst viel später nach vielen Erfahrungen, konnte ich die Dinge aus jener Zeit besser beurteilen. Die Folgen des Alkoholtrinkens begann ich an mir immer mehr zu verspüren. Ab 1970 war es dann so weit, dass ich trinken musste. Es war eine sehr schlimme Zeit die dann begann. Ich versuchte immer wieder mit dem Alkohol zurechtzukommen. Ich wusste nicht, dass wenn ich ein Glas trank das unwiderstehlich der Zwang zum nächsten kam. Ich muss es noch einmal sagen, der Alkohol ruft den Alkohol. Ich selbst wusste nicht recht was mit mir passiert war, aber meine Umwelt wusste es noch weniger. Jeden Tag war das selbe, jeden Tag Streit. Jeden Tag versuchte ich meistens bis spät in die Nacht, versuchte ich mit Geschrei, Aggressionen und vielen anderen unschönen Dingen, meinen Mann davon zu Überzeugen das ich in brauchte. Vielleicht habe ich die verkehrten Worte gewählt, vielleicht aber auch war schuld das ich ja nicht nüchtern war.

 

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