30 Jahre im Vorstand einer Selbsthilfegruppe

für Alkohol- und Medikamentenabhängige

und deren Angehörigen

 

 

 

Im Jahr 1975 hat meine Frau im Kurhaus Höchsten am Bodensee eine Behandlung ihrer Alkoholsucht begonnen.

Diese Therapie war dann nach einem halben Jahr am 27. Oktober 1975 beendet.

Am 28. Oktober 1975 besuchten meine Frau und ich eine Selbsthilfegruppe in Mannheim K 2, 10.

Diese Gruppe nannte sich: „Lotsengruppe 63 Gemeinschaftswerk gegen die Suchtgefahren". Wir trafen dort drei Freunde: Brunhilde, Günter und Heiner.

Wir waren, dass nur so wenig anwesend waren überrascht, nun es war dann doch ein interessanter Abend. Wir sind an diesem Tag auch gleich als Mitglied aufgenommen worden. Damals war dies eben möglich. Die folgenden Gruppenabende sind dann doch besser besucht worden. Das erste alkoholfreie Sylvester wurde auch in den Räumen gefeiert. Es war für uns Neuland aber die Stimmung war gut, wir waren mit Gästen etwa 40 Personen.

Im März 1976 war Mitgliederversammlung und danach war ich als Angehöriger 2. Vorsitzender.

Ich, der eigentlich nur mal interessenhalber mit meiner Frau in die Gruppe ging um zu sehen wie es da vor sich ging, hatte nun diese Position.

Da die Gruppe relativ klein war, war für den 2. Vorsitzenden wenig Arbeit.

Der 1. Vorsitzende Reinhold Mestres machte die Arbeit ohne uns zu fragen. In dieser Zeit sind wir vom Badischen Landesverband zur Diakonie gewechselt und auch den Beitritt zur BAG / LAG - BW hat auch Reinhold alleine gemacht.

Auch dass er an deren Treffen teilnahm haben wir alle vom Freundeskreis nur am Rande erfahren. Unser Domizil K 2 war nicht so wie wir es wollten, wir zogen zum Zwischenakt ins Nebenzimmer. Dies brannte dann aus und wir waren dann auf der Wanderschaft (von Altentagesstätte zu Jugendhaus und wieder verschiedenen Nebenzimmern in Gaststätten). Dort wurde als erst Licht angemacht, als die 2. Runde Apfelschorle und Cola bestellt wurde.

In der alten Sakristei, der Kirche, haben wir es dann doch lange ausgehalten bis wir dann 1980 in der Karl Martystraße 1 ein Ladenlokal mit Nebenraum mieteten.

Ab dieser Zeit wurde ich gefordert. Reinhold blieb, was die Einrichtung der Räume anbelangte, im Hintergrund. Traudl hat uns dann von dem Diakonischen Werk Baden 18.000,00 DM besorgt.

Hier in diesen Räumen konnten wir uns richtig entfalten. Ich wurde dann zum

1. Vorsitzenden bestellt und so hatte ich die volle Verantwortung.

In dieser Zeit wurde auch unser Name geändert in Freundeskreis Mannheim „Die Lotsen" e.V.

In der Karl Marty Straße hatten wir 2 Gruppenräume und 1 Aufenthaltsraum, zusammen etwa 70 qm. Diese Räumlichkeiten waren aber bald zu klein und so mussten wir uns um andere Räumlichkeiten bemühen. Wir waren auch fündig. Räume von der evangelischen Kirchengemeinde in M 7, 22, wurden uns angeboten, 250 qm, 1 großer Raum und 4 kleine Räume, also ideal für uns. Aber die Miete war über 4.000,00 DM, in der Karl Marty Straße waren dies nur 600,00 DM.

Bitte um Minderung der Miete wurde abgelehnt.

Wir haben dann eine Mitgliederversammlung einberufen um die Freunde zu fragen, ob sie bereit sind den monatlichen Beitrag von damals 10,00 DM zu erhöhen.

Spontan wurde der Beitrag mit überwiegender Mehrheit auf 20,00 DM erhöht, einige haben dann freiwillig 30,00 DM bezahlt. 2 Freunde sind ausgetreten.

Und so haben wird dann im Jahre 1991 die Räume gemietet. Meine Frau hat dann einige Zeit später im Diakonie Ausschuss es fertig gebracht, dass uns die evangelische Kirchengemeinde die Miete um 700,00 DM verringerte.

Diese Räume waren in einem verwahrlosten Zustand. 3 Monate haben wir mit vielen Freunden gebraucht, die Räume in einen recht guten Zustand zu bringen.

Über 80.000,00 DM wurde für die Instandsetzung verbraucht, natürlich waren darin auch die Möbel, Teppichboden und Gardinen.

Wir haben diese Aktion als „Lotsen 2000" getauft. Da ich wusste was dies alles für Arbeit macht, bin ich mit 60 Jahren in Rente gegangen und habe nach 38 Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt bei Kaufhof. Im Mai 1991 konnten wir die neuen Räume in M 7 einweihen, über 126 Menschen waren da um dies zu feiern. Und wir wurden immer größer. 220 Mitglieder hatten wir zeitweise. Meine Zielsetzung war, dass wir Zuschussfrei sein konnten, sollten es über 300 Mitglieder sein. Dies war ein Wunschtraum, der sich nicht erfüllte.

1988 beim 25 jährigen Jubiläum an dem auch Dr. Rieth, der Leiter der Fachkliniken Höchsten und Ringgenhof als Festredner teilnahm, hat mir damals gesagt:

„Herr Dömming, der Freundeskreis wird zu groß. Sie können das nicht alles übersehen. Bedenken Sie, das sind alles Menschen, welche mehr oder weniger psychisch angeschlagen sind. Sie werden erleben, dass Neid, Missgunst und was alles in den zwischenmenschlichen Beziehungen auftritt nicht gutes erleben.

Dies alles kann einen solchen großen Freundeskreis sehr schaden."

Er hat Recht behalten. Es gab mit Freunden Differenzen, Auseinandersetzungen nicht angenehmer Art, Verleumdungen einmal mussten meine Frau und ich gerichtlich die Sache regeln lassen, also vieles Unschönes, dies soll natürlich auch nicht verschwiegen werden.

Von Freunden, welche uns verlassen haben, sind in Mannheim 5 Freundeskreise gegründet worden, auch ein Erfolg für die Lotsen.

Es tat schon weh, dass diese Freunde uns verlassen haben.

Aber das schöne Erleben überwiegt dies ja alles. Viele Freunde haben ihre Trockenheit festigen und erhalten können, wenn sie von der Therapie zurückkamen. Andere haben durch den Besuch bei uns weite Schritte zur Gesundung getan und vielen ist es gelungen nur durch den Gruppenbesuch trocken zu werden. Der Freundeskreis hat in jedem Jahr einen schönen Jahresausflug in alle Himmelsrichtungen gemacht. Dies waren mitunter bis zu 4 Tage. Viele Feste wurden gefeiert, Jubiläen, Weihnacht, Sylvester, Frühlingsbälle, Heringsessen, Grillfeste. Jedes Jahr bis zu 6 Gruppenfreizeiten. Gruppen sind zum Raffthing auf dem Inn nach Landeck und auf die Gletscher in Solden gefahren. Viele Gruppen haben unseren Bus genutzt um mit den Freunden 1 Tagestour zu machen und vieles andere mehr.

Seit vielen Jahren wird gekegelt, natürlich auch da dann der obligatorische Ausflug der Kegler.

Auch ebenso lang ist einmal im Monat Billard auf dem Terminkalender. Unsere Sportgruppe hat auch viele Erfolge im Fußball 1x1. Platz und 2x2. Platz beim Fußballturnier in der Klinik Tiefental im Saarland.

Leider ist diese Sportgruppe seit einigen Jahren verkannt:

Vielleicht ist wieder jemand bereit etwas zu managen.

Die Walkinggruppe ist auch nicht so, dass diese regelmäßig anzutreffen ist. Aber bei all diesen Treffen geht es lustig zu und die Menschen kommen sich näher. So ist es auch bei den sonntäglichen Spielenachmittagen, bei Skat, Kniffel, Mensch ärgere Dich nicht und sonstigen Spielen geht es ausgelassen zu.

Auch sind wir mit Freude mit vielen Freunden zu Festen, wie Herbstball, Tanz in den Mai, Jubiläen, Besinnungstagen ins Saarland, nach Westfalen und in die Pfalz gefahren.

Auch die Bundeskongresse der BAG (heute Bundesverband) haben viele unserer Freunde besucht, aber überall musste ich als Leithammel fungieren. An den Bundeskongress in Bünde, Westfalen werde ich mich immer erinnern, diese war so urig schön, von der Fahrt mit dem Sonderzug der Bundesbahn. Es war ein Triebwagen, überall standen an vielen Stellen Menschen, welche uns zuwinkten und Fotos machten. Ich dachte wieso wissen die das hier ein Zug mit Alkoholikern durchfährt. Später wurde mir gesagt, dass dieser Zug in einer Zeitung für Eisenbahnfreaks ausgeschrieben war, dass dieser Oldtimerzug an diesem Tag dieser Strecke fährt.

Dies sind alles schöne Erinnerungen an die Zeit bei den Lotsen, die alles Unschöne fast in Vergessenheit drückt, aber nur fast. Da ich ja in meinem Leben immer ein Vereinsmensch war, Campingclub, Karnevalverein, Gewerkschaft, Partei, Betriebsrat usw. diese habe ich ja alles 1975 abgelegt. Dieses konnte ich nicht mit den Lotsen unter einen Hut bringen, auch zeitlich war dies nicht möglich. Die Lotsen waren mit wichtiger.

Natürlich gab es auch in diese Arbeit der Suchtkrankenhilfe viel zu tun. An sehr vielen Seminaren hab ich teilgenommen, manche gingen über eine ganze Woche. In der LAG Baden war ich Kassierer 12 Jahre, in der BAG in verschiedenen Arbeitskreisen. Viele Sitzungen in diesen Gremien. Da meine Frau auch mich mal als 1. Vorsitzende bei den Lotsen abgelöst hat, ist sie auch in der LAG fast 10 Jahre Landesvorsitzende gewesen und dadurch auch im Bundesverband tätig, daher war ich dann der Fahrer meiner Frau zu diesen Sitzungen nach Kassel. Auch dies war schön, wenn sie Sitzung hatte war ich in der Hessentherme zum Baden. Auch dies war alles eine schöne Zeit und ich bin dankbar, dass ich dies erleben durfte.

Meine Freunde heute machen es mir und meiner Frau auch möglich, dass wir seit Jahren ein paar Monate im Winter in wärmeren Gebieten der Welt verbringen können. Auch dafür möchte ich mich recht herzlich bedanken.

 

Der Kampf ums finanzielle Überleben geht jedes Jahr wieder von vorne los. Meine Frau ist unermüdlich in Aktion Spenden und Zuschüsse bei allen möglichen Institutionen locker zu machen. Mir ist es ja nicht gelungen die Mitgliederzahl auf über 300 zu bringen, also müssen wir es immer so weiter machten. Mein größter Wunsch ist dass der Freundeskreis „Die Lotsen" noch recht lange bestehen bleibt und dass Freunde Eigeninitiative zeigen, Verantwortung übernehmen, so dass ich noch zu recht vielen Veranstaltungen kommen kann, das habe ich schon oft gesagt, mich hinsetzten, am Ende meinen Mund abputzen, mich verabschieden und gehen.

Es wäre noch vieles zu berichten, aber es würde zu lang werden.

Nur dass ich auch gute Freunde durch einen frühen Tod verloren habe, das bedrückt mich heute noch sehr.

Es waren Menschen, die tatkräftig für den Freundeskreis eingetreten sind.

Sie fehlen noch heute. Besonders vermisse ich Rolf Huber, Werner Baier, Bernhard Kress und Bernd Lauer.

 

 

Fritz

 

 

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