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Durch
akute Alkoholintoxikation können verschiedene Psychosen
eintreten. Einige wichtige Begriffe in diesem Zusammenhang
mit chronischem Alkoholismus sollen hier noch erwähnt
werden:
Alkoholdelir
(Delirium tremens) Bei plötzlichem Absetzen des Alkohols
(z.B. nach einem Unfall in der Klinik) kann es nach 1 - 3 Tagen
zu einer dramatischen Fehlschaltung im Gehirn kommen. Das
Delirium tremens ist somit eine besonders schwere Form von Entzugserscheinungen.
Merkmale sind: Halluzinationen ("weiße Mäuse", Einbildung
von Stimmen), Unruhe, d.h. aufgeregt, orientierungslos, "nestelnde
Bewegungen", Gefahr von Kreislaufkollaps. Etwa 20 %
der Delirien verlaufen tödlich. Das Delir wird auch als
Einbruch von Traumphasen in den Wachzustand interpretiert.
Es dauert gewöhnlich 2 - 5 Tage und klingt spontan ab. Manche
Patienten zeigen vor dem eigentlichen Delir Prodomalerscheinungen
(Schreckhaftigkeit, Angst, Zittern). Dieses Bild wird Prädelir
genannt. Ein Delir kann in ein Korsakow-Syndrom, eine alkoholische
Demenz oder Encephalopathie Wernicke übergehen. Das Delirium
tremens kann nur auf einer Intensivstation behandelt werden.
Es läßt sich mit Distraneurin dämpfen (Blutdrucksenkung), nach
Bedarf muß zusätzlich sediert werden, z.B. mit Valium. Nicht
selten besteht bei häufig auf Entzug behandelten Patienten eine
Distraneurin-Abhängigkeit. In solchen Fällen wird das weniger
wirksame Butyrophenon (Haloperidol, Haldol) verwendet.
Krampfanfälle
Die
Anfälle gleichen denen der Epilepsie. Sie treten ebenfalls häufig
bei plötzlichem Entzug (20-30 % der Abhängigen) auf, allein
oder als Begleiterscheinung des Delirs. Es gibt auch "nasse
Krämpfe" während der Trinkphasen. Ist einmal ein Krampfanfall
aufgetreten, bleibt die Neigung dazu chronisch. Bei jedem epileptischen
Anfall kommt es zu einem Massensterben von Gehirnzellen.
Vorbeugend werden Krampfanfälle bei den dazu neigenden Patienten
(falls bekannt) mit Tegretal behandelt.
Korsakow-Syndrom
Damit
bezeichnet man die schwerste Form der Gehirnschädigung durch
Alkohol. Benannt wurde sie nach dem russischen Psychiater Sergej
Korsakow, der diesen Zustand erstmals 1854 beschrieb. Durch
das Absterben bestimmter Gehirnregionen erleidet der Betroffene
einen weitgehenden Gedächtnis- und Orientierungsverlust. Das
heißt, für ihn gibt es im Extremfall überhaupt kein "gestern"
und kein "morgen" mehr. Er weiß nicht mehr, wer oder
wo er ist, und kann manchmal auch engste Bezugspersonen nicht
wiedererkennen. Dieser Zustand ist in der Regel durch Abstinenz
kaum noch heilbar. Die meisten Korsakow-Patienten werden
für immer auf einer geschlossenen Psychiatriestation untergebracht.
Falls ein Alkoholiker nicht rechtzeitig aufhört zu trinken oder
vorher stirbt, ist das Korsakow-Syndrom der zwangsläufige Endzustand.
Halluzinosen
Bei
dieser selteneren Psychose bestimmen vorwiegend akustische Wahnvorstellungen
das Krankheitsbild. Das Bewußtsein ist klar. Der ängstlich-gequälte
Alkoholiker hört meist Stimmen mehrerer nicht anwesender Personen,
die in seiner Einbildung über "ihn zu diskutieren und zu
schimpfen" scheinen. Manche Kranke versuchen, den "Stimmen"
zu entfliehen. Sie verbarrikadierten sich wie "Belagerte"
in ihrem Zimmer. Die Alkoholhalluzinose tritt meist im mittleren
Lebensalter auf, oft nach einer Periode von Trinkexzessen. Wird
der Alkohol abgesetzt, so klingt die Halluzinose in den meisten
Fällen innerhalb weniger Tage ab. Trinken die Kranken wieder,
so kommt es leicht zu einer Wiederholung. Bei einem Fünftel
der Fälle wird die Alkoholhalluzinose chronisch. In seltenen
Fällen ist der Endzustand eine Demenz.
Eifersuchtswahn
Eifersuchtsvorstellungen
sind bei Alkoholikern häufig. Bei einem kleinen Teil verdichten
sie sich zur Entwicklung eines Eifersuchtswahns. Faktoren der
Wahnentwicklung sind die begreifliche Abkehr des Partners wegen
des Trinkens, das gestörte Verhältnis zur Umwelt und die oft
alkoholbedingte Impotenz bei vorübergehend gesteigerten sexuellen
Wünschen. Die Schuld am eigenen Versagen wird abgewehrt und
auf den Partner übertragen. Die Verdächtigungen nehmen oft groteske
Formen an. Der Eifersuchtswahn kann chronisch werden und auch
bei späterer Abstinenz fortbestehen.
Wernicke-Krankheit
Die
Wernicke-Encephalopatie ist eine schwere alkoholbedingte Psychose.
Das Krankheitsbild kann akut oder subakut nach einem Delir auftreten.
Kennzeichen sind: Schläfrigkeit (Somnolenz), Augenmuskellähmung
und Störung im Ablauf der Muskelbewegungen (Ataxie). Gelegentlich
finden sich Pupillenträgheit und Krampfanfälle. Die Übergänge
zum Korsakow-Syndrom sind fließend, die Prognose ist schlecht.
Wenn der Patient überlebt, bleibt meist ein Korsakow-Syndrom
zurück.
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